Obschon der Großteil der schätzungsweise vierzig Milliarden Feldpostbriefe, die im Zweiten Weltkrieg allein auf deutscher Seite verschickt wurden, nicht von den Soldaten verfasst wurde, sondern von den Angehörigen in der Heimat, richtete sich der Fokus der Feldpostbriefforschung bisher zum großen Teil lediglich auf die soldatische Seite der Briefwechsel. Nur wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit der heimatlichen, zumeist 'weiblichen' Sicht der Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg.
Die Diskrepanz hinsichtlich der Betrachtung der soldatischen und der heimatlichen Sicht erklärt sich unter anderem dadurch, dass die Feldpostbriefe aus der Heimat häufig nicht erhalten blieben. Soldaten hatten zumeist nicht die Möglichkeit, die Briefe aus der Heimat zu sammeln, während des Urlaubs mit nach Hause zu bringen oder sie zurückzuschicken. Die Angehörigen in der Heimat bewahrten hingegen die von den Soldaten geschriebenen Briefe sorgfältig auf.
Im Rahmen eines im Jahr 2003 absolvierten Praktikums im Deutschen Tagebucharchiv e.V. (DTA) in Emmendingen arbeitete die Verfasserin der vorliegenden Arbeit unter anderem an der inhaltlichen Erschließung eines unveröffentlichten und unbearbeiteten Feldpostbriefwechsels. Es handelte sich um die Briefe des Bielefelder Ehepaares Paul und Josefa Schubert (DTA, Signaturen 750 I und II) aus den Jahren 1940 bis 1945. Aufgrund der Fülle des Materials erfolgte während des Praktikums lediglich die Erschließung der Briefe des männlichen Autors aus den Jahren 1940 und 1941. Somit konnte nur ein sehr begrenzter Einblick in den Briefwechsel und in die Erfahrungen des Ehepaares Schubert im Zweiten Weltkrieg gewonnen werden. Aus diesem Grunde bot es sich an, die Briefe im Rahmen einer Magisterarbeit im Fach Geschichte an der Universität Freiburg näher zu untersuchen.
Die Vorgehensweise ergab sich durch den Umstand der Materialfülle: Bei den im Deutschen Tagebucharchiv zugänglichen Quellen um das Ehepaar Schubert handelt es sich allein bei den Briefen und Karten für den Zeitraum von 1940 bis 1945 um mehr als 1200 Dokumente. Aufgrund der großen Menge an Quellen schien es wenig hilfreich, den Fokus vor der Lektüre der Briefe bereits auf bestimmte Gesichtspunkte zu richten und somit andere Aspekte, die mit späteren Briefen eventuell Bedeutung gewinnen könnten, von vorneherein auszuschließen. Als Leitfrage dieser Untersuchung kristallisierte sich in der Folge eine Aussage Inge Marszoleks heraus: "Feldpostbriefe wurden von Männern wie von Frauen geschrieben, aber von unterschiedlichen Orten und scheinbar aus unterschiedlichen Welten." Wie genau sahen diese "unterschiedlichen Welten" aus? Welche Erfahrungen machte Josefa Schubert im Zweiten Weltkrieg, welche ihr Mann? War das Ehepaar Schubert in der Lage, sich neben den unterschiedlichen Welten eine gemeinsame Welt zu erhalten? Diese zunächst weiterhin sehr allgemein gefassten Fragestellungen unterliegen dennoch auch der Einschränkung. welche Klaus Latzel in Hinsicht auf die Untersuchung von Feldpostbriefen macht: "Jede gegenüber den Quellen eingenommene Perspektive erfolgt auf Kosten möglicher anderer. Die hier beschriebene Blickrichtung blendet manches aus, was durchaus zum Thema werden könnte." Gerade aufgrund des für die vorliegende Arbeit zugrunde liegenden Materialumfangs sind zahlreiche Blickwinkel und Themenkomplexe für die Betrachtung möglich. Die Untersuchung der Lebenswelten bietet nur eine denkbare - wenn auch zentrale - Perspektive der Analyse.
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