Feldpost im Zweiten Weltkrieg
 Start ❘  Kontakt, Kooperation & Impressum ❘  Häufig gestellte Fragen
 Feldpost ❘  Die Arbeit der Feldpost ❘  Zensur
 Literatur ❘  Werkstatt ❘  Ausgewählte Briefe ❘  Links
 Sammlungen und Archive ❘  Briefe an ein Archiv übergeben ❘  Tipps zum Aufbewahren
  » English 

Danzig-Neufahrwasser, d. 14.3.45
Meine liebe Puppe, mein liebes Töchterchen! Alle meine Lieben!
Alle Möglichkeiten, Euch zu schreiben, werden ausgenutzt. So nutze ich die Gelegenheit, da ich am 15.3. wieder in Danzig bin beim Orthopäden (ich lasse mir Einlagen machen, da lt. ärztl. Befund noch "kriegsverwendungsfähig". aber hochgradig Senk-Spreizfuß habe!) und den Brief jetzt im Hauptpostamt abgebe!
Ich war heute in Danzig, da war gerade Artellerie-Beschuß. Hotel Continental hat einen Treffer bekommen. Flüchtlinge waren da gerade zum Essen, die Leichen grauenvoll, ich hätte bald geheult, als ich die Kinderleichen sah.
Alle Geschäfte sonst geschlossen, in Kinos sind auch Flüchtlinge untergebracht! Ein großes Heerlager von Militär. Danzig richtet sich zur Verteidigung ein. Ich habe auf der Straßenbahn von einer Frau 1000 gr. Brotmarken bekommen und ein ganz frisches Brot gekauft. Und bei einem Schlächter gab mir die Frau nach vielem Reden 100 gr. Wurst. Auf dem Schlachthof kaufe ich (45 Pfg. pro Pfd!) 20 Pfd. Rindfleisch. Wir haben auf der Stube gleich uns Gehacktes gemacht und Buletten mit Sonnenblumenöl gebraten. Fabelhaft, mal wieder satt! Also Du siehst, liebe Mutti, daß ich noch immer einen guten Schutzengel habe, der muß und wird mich weiter beschützen. Noch ist nichts raus, wann es zum Einsatz geht! Aber eines Tages wird's doch sein müssen! Vielleicht kommen wir vorher noch raus aus dieser ekelhaften Falle! Dicht am Hafen Neufahrwasser liegen wir ja!! Aber erst verladen sie Verwundete und Flüchtlinge! Wir kommen erst zum Schluß, dann vielleicht heran. Es ist zwar ein ekelhaftes Gefühl, so im Kessel zu liegen. Adlershorst wurde heute sehr beschossen!
Wir müssen mit allen Eventualitäten rechnen und auch mit Gefangenschaft! Aber, liebe Mutti, sei deswegen nicht traurig. Wenn das der Fall sein muß, dann muß man sich damit abfinden, aber wir sind dann 100000 Mann. Unendlich viel Militär, Volkssturm, Marine, HJ usw. liegen hier. - Trudel Fischer hat auch ein schweres Los. Karte liegt bei! Erich wird vermißt oder tot sein. Ich befürchte das letztere, kenne den Rummel. In einem so heillosen Durcheinander denkt man nicht an die Benachrichtigung der Angehörigen, wir z.B. haben es, soweit bekannt, zwar auch von hier aus getan! Die Toten werden erst nach Tagen beerdigt. Tröste Trudel Fischer, aber sage ihr nichts von meinen Befürchtungen!
Hier sieht es katastrophal aus, überall Militär, es muß uns gelingen, Danzig zu halten und durchzukommen oder aber per Schiff zu entfliehen! Der Druck der Russen ist auch hier sehr stark! Aber wir hoffen, hoffen!
Daß meine Gedanken ständig bei Euch sind, ist selbstverständlich! Ich gestehe auch ein, daß ich schon mächtige Sehnsucht nach Euch allen habe. Aber der Krieg ist unerbitterlich. Mal wird Schluß sein! Bleibt alle tapfer und vergeßt Euren Vati nicht. Liebe Mutti, Postsparbuch hast Du ja. Du kannst notfalls immer weiter mit meinem Namen unterzeichnen. Vollmacht ist ja nicht notwendig. Du handelst ja stets in meinem Sinne, also weiter so. Hoffentlich habt Ihr eine anständige Bleibe, braucht nicht zu hungern und frieren! Ich mache mir deswegen große Gedanken. Deckt Euch mit Lebensmitteln ein. Wenn die Belagerung kommt, dann Fühlung halten auch mit Schlachthof (evtl. durch Rudi Richter!) Was gibt's neues? Ich warte so sehnsüchtig auf Post. An jeden kann ich nicht mehr schreiben. Keine Zeit, auch Lichtsperrstunde, dazu Wache u.s.w. Morgen schreibe ich nicht. Da wollen wir, da noch 2 Ztr. Fleisch angerollt sind, ein Kompanie-Essen machen. Aber übermorgen, sofern noch hier und Zeit! Haltet alle zusammen, dann läßt sich alles leichter ertragen! Herzliche Grüße an alle Lieben dort, besonders Eltern, Geschwister und viele tausend Küsse von Eurem Vati.
Meine liebe Helga, bleib hübsch brav und anständig und hilf Mutti wo Du nur kannst. Schule laß Schule sein.